Neues Urteil im Streit um das Widerrufsrecht

OLG München, Urt. v. 26.06.2008, Az.: 29 U 2250/08

Das Oberlandesgericht München hat sich wieder einmal mit dem Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften beschäftigt (Urt. v. 26.06.2008, Az.: 29 U 2250/08). Auch mit dieser neuen Entscheidung sorgt die Rechtsprechung einmal mehr für Verwirrung bei den Händlern. Das Gericht hatte entschieden, dass der in Anspruch genommene eBay-Händler eine Abmahnung hätte vermeiden können, wenn er die neue Musterwiderrufsbelehrung wortgenau übernommen und hieran nichts geändert hätte. Dies steht aber teilweise im Widerspruch zu bereits ergangener Rechtsprechung, die eben gerade erklärt hatte, dass sich ein Unternehmer nicht durch die Verwendung des amtlichen Musters aus der Verantwortung stehlen kann und stützt sich wohl auf das im April 2007 ergangene Urteil des BGH, der entschieden hatte, dass die Verwendung des amtlichen Musters nicht wettbewerbswidrig sein kann, auch wenn inhaltlich Fehler und Unrichtigkeiten vorhanden sind. Aus diesem Grund halten wir an dieser Stelle an unser bisherigen Empfehlung fest, die amtliche Musterbelehrung zu verwenden, es sei denn, man ist bereits einmal abgemahnt worden und hat eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgegeben.

Im Einzelnen wurden in der aktuellen Entscheidung folgende Formulierungen abgemahnt:

1. „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt der Ware und dieser Belehrung“.

Hier wurde die Verwendung des Begriffes frühestens gerügt, welchen der Händler in seiner Belehrung hinzugefügt hatte. Nach Auffassung des Gerichts stelle diese Klausel des Händlers nur auf zwei Umstände des Fristablaufs ab, nämlich den „Erhalt der Ware“ und den „Erhalt dieser Belehrung“. Das Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen sei aber noch von weiteren Voraussetzungen abhängig, welche hier jedoch nicht genannt werden. Das eigentliche Problem ist also nicht die Verwendung des Begriffs frühestens, sondern die Tatsache, dass weitere zwingende Voraussetzungen für das Widerrufs- und Rückgaberecht nicht aufgezählt sind.

Die Frist für die Ausübung des Rückgaberechts bei derartigen Verträgen beginnt nach Maßgabe von § 187 Abs. 1 BGB zu laufen, wenn der Verbraucher

• eine deutlich gestaltete Belehrung in Textform über sein Rückgaberecht erhalten hat,
• jedoch nicht vor Eingang der Ware beim Verbraucher (bei der wiederkehrenden Lieferung gleichartiger Waren nicht vor Eingang der ersten Teillieferung) (§ 356 Abs. 2 BGB, § 312d Abs. 2 BGB)
• und nicht vor Erfüllung der Informationspflichten gemäß § 312d Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 i.V.m. § 312c Abs. 2 BGB) seitens des Unternehmers (vgl. § 312f Satz 1 BGB)
• und nicht vor Erfüllung der Pflichten nach § 312e Abs. 1 Satz 1 BGB seitens des Unternehmers (§ 312e Abs. 3 Satz 2, § 312f Satz 1 BGB; vgl. auch das Muster für die Rückgabebelehrung gemäß Anlage 3 zu § 14 Abs. 2 und Abs. 3 BGB-InfoV in der seit 01.04.2008 gültigen Fassung (BGBl. 2008 I S. 295)).

Das Gericht hat also beanstandet, dass ein durchschnittlich informierter Verbraucher bei der Verwendung dieser Formulierung nicht erkennen kann, wann die Widerrufsfrist tatsächlich zu laufen beginnt.

2. „Das Rückgaberecht besteht entsprechend § 312 d Abs. 4 BGB unter anderem nicht bei Verträgen
• zur Lieferung von Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig
auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind oder die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können oder deren Verfallsdatum überschritten würde;
• zur Lieferung von Audio- oder Videoaufzeichnungen (u.a. auch CDs oder DVDs) oder von
Software, sofern die gelieferten Datenträger vom Verbraucher entsiegelt worden sind oder
• zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten.“

Grundsätzlich steht dem Verbraucher bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu, welches bei bestimmten Waren jedoch gesetzlich ausgeschlossen ist (§ 312 d Abs. 4 BGB), z.B. bei Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind oder die auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können oder deren Verfalldatum überschritten würde, ferner bei Audio- oder Videoaufzeichnungen oder von Software, sofern die gelieferten Datenträger vom Verbraucher entsiegelt worden sind oder bei Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten. Die Klägerin rügte in diesem Fall die Verwendung des Begriffes unter anderem, welcher suggeriere, dass es noch andere Ausnahmen neben den gesetzlich definierten geben kann. Der Katalog des § 312 d Abs. 4 BGB ist jedoch abschließend geregelt. Dies sei nach Ansicht des OLG München aus dieser Klausel für den Verbraucher nicht ersichtlich und erwecke den Eindruck, es gebe noch weitere – nicht spezifizierte – Ausnahmen, die dann von der Beklagten geltend gemacht werden könnten. Diese Klausel sei also ebenfalls als Verstoß gegen das Transparenzgebot einzustufen. Die unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers resultiere daraus, dass der Verbraucher über die konkret genannten Ausnahmefälle hinaus weitere Fälle, in denen ihm das Widerrufsrecht versagt werden kann, befürchten muss.

3. „Bei einer Verschlechterung der Ware kann Wertersatz verlangt werden. Dies gilt nicht, wenn die Verschlechterung der Ware ausschließlich auf deren Prüfung – wie sie dem Verbraucher etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre – zurückzuführen ist.“

Auch diese dritte gerügte Klausel ist nach Ansicht des OLG München wettbewerbswidrig, da diese Klausel nur eine Verschlechterung der Ware, die ausschließlich auf deren Prüfung zurückzuführen ist, vom möglichen Verlangen nach Wertersatz ausnehme. Dies weicht von der Regelung des § 346 Abs. 2, S.1 Nr. 3 Halbsatz 2 BGB ab, wonach die durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung im Falle eines Rücktritts außer Betracht bleibt. Auch der Sonderfall des § 357 Abs. 3 BGB, wonach der Verbraucher in diesem Fall trotzdem Wertersatz zu leisten hat, kommt hier nicht zur Anwendung. Dieser setzt nämlich voraus, dass dem Verbraucher bei Vertragsschluss eine ordnungsgemäße Belehrung in Textform zugegangen ist. Diese Voraussetzungen seien nach Ansicht des Gerichts bei eBay jedoch nicht gegeben, da der Verbraucher bei einem bloßen Internetauftritt des eBay-Händlers nicht automatisch über sein Widerrufsrecht im Sinne des § 126 b BGB („in Textform“) belehrt werde. Hierüber hatten wir bereits berichtet.

Insgesamt bleibt also noch einmal festzuhalten, dass nach der Auffassung des OLG München das derzeit aktuelle Muster für die Widerrufs- und Rückgabebelehrung vom Händler unverändert und nach den Gestaltungshinweisen angepasst verwendet werden sollte, wenn dieser von der gesetzlichen Privilegierung profitieren will. Daneben muss auf die Ausnahmefälle vom Widerrufsrecht hingewiesen werden, welche für das jeweilige Sortiment des Händlers relevant sind, aber auch nur auf diese. Sobald es um die Wertersatzpflicht geht, berücksichtigt das aktuelle Widerrufs- und Rückgabebelehrungsmuster dies bereits.

Es bleibt also abzuwarten, ob auch die anderen Oberlandesgerichte sich dieser Rechtsansicht anschließen werden.

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