Rückkehr zum Stichtagsprinzip im Ehegattenunterhalt

Der Bundesgerichtshof hat mit seiner Entscheidung vom 07.12.2011, Az. XII ZR 151/09 seine Berechnung des Ehegattenunterhalts mittels der Drittelmethode nach der Beanstandung durch das Bundesverfassungsgericht (Beschluss v. 25.01.2011, 1 BvR 918/10) aufgegeben und ist nunmehr wieder zu seiner früheren Rechtsprechung, dem Stichtagsprinzip, zurückgekehrt.

„Die ehelichen Lebensverhältnisse im Sinne von § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB werden grundsätzlich durch die Umstände bestimmt, die bis zur Rechtskraft der Ehescheidung eingetreten sind.“

Das bedeutet vor allem für die so genannten „Zweitehen“ einen immensen Nachteil. Der Bundesgerichtshof hat folgendes festgelegt:

„Die Unterhaltspflichten für neue Ehegatten sowie für nachehelich geborene Kinder und den dadurch bedingten Betreuungsunterhalt nach § 1615 l BGB sind nicht bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs eines geschiedenen Ehegatten nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB zu berücksichtigen.“

Berücksichtigt werden aber weiterhin Veränderungen, wenn diese bereits in der Ehe angelegt waren:

„Nacheheliche Entwicklungen wirken sich auf die Bedarfsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen aus, wenn sie auch bei fortbestehender Ehe eingetreten wären oder in anderer Weise in der Ehe angelegt und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten waren (im Anschluss an BVerfG FamRZ 2011, 437).“

Allerdings findet zumindest auf Stufe der Leistungsfähigkeit eine Berücksichtigung der „neuen“ Unterhaltspflichten statt:

„Sind ein geschiedener und ein neuer Ehegatte nach § 1609 BGB gleichrangig, ist im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen eine Billigkeitsabwägung in Form einer Dreiteilung des gesamten unterhaltsrelevanten Einkommens revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das schließt eine Berücksichtigung weiterer individueller Billigkeitserwägungen nicht aus.“

Das Bundesverfassungsgericht hat das Prinzip der Dreiteilung und der wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen auf der Stufe der Bedarfsermittlung mit den deutschen Regelungen für unvereinbar erklärt. Auf der Stufe der Leistungsfähigkeit sieht das allerdings anders aus, was sich auch bereits aus dem geltenden Prinzip der Rangstufen im deutschen Recht ergibt.

„Dabei hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich auf die im Gesetz vorgegebene Trennung zwischen Bedarfsbemessung einerseits sowie Leistungsfähigkeit und Rang andererseits abgestellt (BVerfG FamRZ 2011, 437 Rn. 55). Ergänzend hat das Bundesverfassungsgericht aber auch darauf hingewiesen, dass einander nachfolgende Ehen durch Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG gleichrangig und gleichwertig geschützt werden (BVerfG FamRZ 2011, 437 Rn. 46; BVerfGE 108, 351, 364 und 66, 84, 94 f.).“

So hat der Bundesgerichtshof weiter ausgeführt:

„Dem Unterhaltspflichtigen muss im Verhältnis zum geschiedenen Ehegatten somit mehr als die Hälfte des Einkommens verbleiben, um auch den hinzugekommenen Betreuungsunterhalt seines neuen Ehegatten oder einen nachehelich entstandenen Betreuungsunterhalt nach § 1615 l BGB erfüllen zu können. Wenn die Instanzgerichte diese wechselseitige Beeinflussung im Rahmen der nach § 1581 BGB gebotenen Billigkeit bei gleichrangigen Unterhaltsberechtigten grundsätzlich im Wege der Dreiteilung des vorhandenen Gesamteinkommens lösen, ist dies aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.“

Die Unterhaltsberechnungen werden durch diese Rechtsprechung nicht einfacher, sondern eher komplizierter, da gegebenenfalls auf der Ebene der Bedarfsermittlung und der Ebene der Leistungsfähigkeit zwei verschiedene Berechnungen anzustellen sind.

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